Psychoanalytische Therapieformen

sind sehr individuell auf die einzelnen Patienten bezogen, deren seelisches Leiden in einer ganzheitlichen Sicht betrachtet und im Kontext ihrer Lebensgeschichte verstanden werden soll. Sie sind nicht ausschließlich auf die Symptomatik zentriert und verwenden in der Regel keine spezifischen auf die Symptome bezogenen Techniken. Stattdessen wird versucht, die inneren Zusammenhänge und Verbindungen herauszufinden, die das seelische Leiden und die Symptome der Patienten hervorbringen. Durch ein verbessertes Verständnis für sich selbst sollen Patienten neue Möglichkeiten entdecken und neue Wege finden können, um ihre Schwierigkeiten besser bewältigen zu können. Mit ‘Verständnis’ sind nicht einseitig verstandesmäßige Erklärungen gemeint - vielmehr geht es um tieferes, die Gefühle einschließendes ‘Verstehen’ vergangener wie gegenwärtiger Nöte und Konflikte.

Seelische Störungen und Symptome werden auch als zeitweise sinnvolle und notwendige Versuche gesehen, mit inneren Konflikten zurechtzukommen und diese notdürftig zu bewältigen (ein Beispiel dafür wäre, die Berührung mit etwas, das Angst macht oder sich unerträglich anfühlt, zu vermeiden). Im therapeutischen Prozess ist es deshalb auch erforderlich, dass sich die Patienten mit Hilfe des Therapeuten mit schmerzlichen oder beängstigenden Erfahrungen auseinandersetzen. Dies erfordert die Bereitschaft, sich aktiv am therapeutischen Prozess zu beteiligen und auch unangenehme und schwierige Phasen durchzustehen. Ein Grundprinzip ist dabei, Gefühle (angenehme, wie unangenehme) und Impulse in der Therapie zur Sprache zu bringen und sich bewusst mit ihnen auseinander zu setzen, anstatt sie durch Handeln zu regulieren.

In den Richtlinien der Krankenkassen werden mehrere psychoanalytisch begründete Psychotherapieformen unterschieden:

  • tiefenpsychologisch fundierte Kurzpsychotherapie: in maximal 24 Therapiestunden kann an einer aktuellen und gut eingrenzbaren Fragestellung gearbeitet werden; eine Kurztherapie kann auch zur Vorbereitung einer eventuell erforderlichen weiteren Behandlung (Langzeitpsychotherapie, stationäre Psychotherapie) dienen;
  • tiefenpsychologisch fundierte Langzeitpsychotherapie: in einem etwas weiter gespannten therapeutischen Rahmen (60 bis 100 Therapiestunden, in der Regel 1 Stunde pro Woche) können aktuelle Probleme und seelische Konflikte tiefergehend bearbeitet und neue Lösungsmöglichkeiten gesucht werden; der Blickwinkel bleibt eingegrenzter und stärker auf die Bewältigung der aktuellen Lebenssituation bezogen als bei der analytischen Psychotherapie;
  • analytische Psychotherapie: stärker im Unbewussten verankerte Konflikte werden in einer offeneren und breiteren Perspektive betrachtet und bearbeitet, um so ein meist weit zurückreichendes, Jahre oder Jahrzehnte andauerndes seelisches Leiden verändern und überwinden zu können; hierfür stehen 160 bis 300 Therapiestunden (in der Regel 2-3 Stunden pro Woche) zur Verfügung. Bei der analytischen Psychotherapie ist es möglich, dass sich die Patienten auf die Couch legen, um sich in einer entspannten Körperhaltung und ohne Ablenkung und Sichtkontakt zum Therapeuten ganz auf die eigene Befindlichkeit konzentrieren zu können. Die Grundregel für diese Situation ist, möglichst alles auszusprechen, was einem in diesem Moment in den Sinn kommt, egal ob es wichtig erscheinen mag oder nicht (“freien Assoziation”).

Psychoanalytisch begründete Psychotherapie pendelt zwischen drei Polen:

  • aktive Auseinandersetzung mit den aktuellen Lebensproblemen, Konflikten und Symptomen, mit denen die Patienten zu tun haben,
  • Annäherung, Kontaktaufnahme und Versenkung in die innere Welt der Gefühle, Wünsche, Vorstellungen und lebensgeschichtlichen Erinnerungen;
  • Erfahrungen in der unmittelbaren Beziehung zum Therapeuten, wo vieles von dem anklingt und lebendig werden kann, was die Patienten in anderen Lebenszusammenhängen auch beschäftigt; darüber zu sprechen, kann das Verständnis sehr vertiefen und kann helfen, neue Wege zu erproben.

Psychotherapie benötigt Zeit, Konstanz und Regelmäßigkeit

Wenn wir die Zeit betrachten, in der wir in unserem Charakter, unseren Eigenarten und der individuellen Art, zu fühlen, geprägt werden, und uns vor Augen halten, wie lange leidvolle Lebenssituationen und konflikthafte Beziehungskonstellationen oftmals bereits bestehen, dann ist es sicher einleuchtend, dass tiefgreifende Veränderungen nicht im Hau-Ruck-Verfahren möglich sind. Psychotherapie ist ein Prozess, der oftmals viel Zeit und Raum erfordert, dann aber auch ganz neue Erfahrungen zu erschließen vermag. Für Patienten wie für den Therapeuten bedeutet die Vereinbarung einer Psychotherapie, sich auf längere Zeit auf einen Prozess einzulassen. Beide Beteiligten müssen dafür auf Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit bauen können.


Weitere Informationen zu Psychotherapie (auch zu anderen Therapieformen) finden Sie z.B. auf den Seiten der Bundespsychotherapeutenkammer , der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg oder auf der Seite der Psychotherapeutenschaft im Kreis Göppingen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat in einer Patientenbroschüre “Wege zur Psychotherapie” aktuelle Informationen zusammengestellt.